Autoren-Lesung am 24. 02. 2008 in Reutlingen –

Carl Gibson

 

- Autorenportrait unter Wikipedia - Die freie Enzyklopädie -

liest aus seinem neuesten Werk: Symphonie der Freiheit

 

 „Symphonie der Freiheit“

Individueller Widerstand in der Ceausescu-Diktatur

 

 

„Die Lesung beginnt mit dem 1959 in Temeschburg geborenen Carl Gibson, der sein zweibändiges Werk „Symphonie der Freiheit“ präsentiert. Darin berichtet er, wie er aufgrund massiver systemimmanenter Freiheitsbeschneidungen zum Widerstandskämpfer wurde. Seine Arbeit im Untergrund gipfelt in vielfältigen Auseinadersetzungen mit dem berüchtigten Geheimdienst Securitate. Sein Streben nach Freiheit wurde mit jahrelanger Verfolgung, Folter und zuletzt mit Gefängnishaft, die ihn an den Rand seiner körperlichen und seelischen Kräfte bringt, bestraft. Doch Gibson hält durch, bis er endlich in die Bundesrepublik ausreisen darf.

 

 

 

 

v. l. n. r:  Carl Gibson, Katharina Ortinau, Uwe Detemple, Johann Fuhry, Norbert Merkle, Michael Kopp

 

Der Autor, der seit 30 Jahren im Westen lebt, schildert die Zeit von 1965 bis 1979. „In Rumänien wurde im Februar 1979 eine Freie Gewerkschaft gegründet“, berichtet Gibson. „Etwa ein Jahr vor der Solidarnosc-Bewegung in Polen. Das ist hier weitgehend unbekannt.“

 

Er gehört zu den wenigen, die mutig genug waren, für ihre Überzeugung öffentlich einzustehen. Er wird zum Sprecher der inzwischen unterdrückten Freien Gewerkschaft rumänischer Arbeiter im Westen und reicht bei der UNO in Genf gegen den rumänischen Staat Klage ein, um die Ceausescu-Regierung wegen permanenten Menschenrechtsverletzungen zur Rechenschaft zu ziehen. Der spätere Sturz des Diktators ist zu diesem Zeitpunkt noch nicht absehbar.

 

 

 

Die Machenschaften des sozialistischen Staates sind den Menschen im Publikum nicht unbekannt. Gibson zeigt in dieser Lesung die ganze Brutalität dieses Regimes, das mit aller Härte gegen Andersdenkende vorgeht.

 

Das zweiteilige Buch, das im Mai im J. H. Röll Verlag erscheinen wird, ist nicht nur ein autobiographisches Werk. Es ist ein Buch über Freiheit und Musik, über Identität und Heimat, über das Leben in einer Diktatur und über die Bedingungen von Dissidenz und Widerstand. Es ist ein politisch-historisches Buch mit philosophisch-psychologischen Reflektionen. Man kann es als spannenden Politkrimi lesen, aber auch als interdisziplinäres Standardwerk. Es ist für einen großen, vielschichtigen Leserkreis geschrieben. Der Autor, ausgebildeter Philosoph, Historiker und Germanist, ist seit 1997 freiberuflich tätig.

 

 

 

 

Als Gibson zum Schluss noch das Kapitel liest, in dem er sich kurz vor seiner Ausreise von seinem Dorf, von seinem Elternhaus und seiner zurückbleibenden Großmutter verabschiedet, ist ihm das Mitgefühl und die Anteilnahme der Menschen im Publikum sicher. Es ist mäuschenstill im Raum, denn alle wissen, wie es sich anfühlt, wenn man alles zurück lässt und ohne konkrete Vorstellung in eine neue, unbekannte Welt in den Westen auswandert.

 

 

 

 

Links im Bild Günther Ott, Aidlingen und Carl Gibson – Ein erster Blick in das

von Nikolaus Fuhry und Peter Hummel verfasste: Familienbuch der katholischen Pfarrgemeinde Sackelhausen in drei Bänden.

 

Der hart erkämpfte Weg in die Freiheit war das verbindende Thema zwischen Referenten und Zuhörern, die sich am 24. Februar in der Gaststätte Schwarz-Weiß in der Reutlinger Marie-Curie-Straße zu einer Lesung trafen.

Eingeladen hatte die Heimatortsgemeinschaft Sackelhausen, der Kreisverband Reutlingen der Landsmannschaft der Banater Schwaben und der Ortsverband Reutlingen der Donauschwaben.

Die gemeinsame Vergangenheit der etwa 150 Anwesenden, die in der Mehrheit aus Sackelhausen stammen, lässt sich nicht leugnen. Die herzliche Begrüßung, die angeregten Gespräche und der einzigartige Dialekt zeugen von Vertrautheit und einem Zusammengehörigkeitsgefühl, das sich diese Volksgruppe bis heute erhalten hat. Obwohl einige bereits 30 Jahre und länger in Reutlingen oder in anderen Teilen der Bundesrepublik leben, haben sie ihre Wurzeln und die entbehrungsreichen Jahre in der alten Heimat nicht vergessen.

Die Autoren dieser Lesung rekonstruieren diesen gemeinsamen Teil ihres Lebens und zeichnen in ihren Werken die Zeit des Umbruchs und die Zeit des Widerstands gegen die sozialistische Diktatur nach. Das Publikum kennt diesen Widerstand im Kleinen, durch die alltäglichen Auseinandersetzungen mit dem Angst einflößenden und menschenverachtenden Ceausescu-Regime.

In einer umfassenden Einführung von Katharina Ortinau, Vorsitzende der Heimatortsgemeinschaft Sackelhausen, werden die Autoren vorgestellt.

 

 

 

Carl Gibson mit Freunden

 

Die Betroffenheit der Anwesenden wird durch ein beschwingtes Lieder-Potpourri von Matthias und Dieter, die für das musikalische Rahmenprogramm zuständig sind, wieder aufgelockert.

Dann ist der in Hatzfeld geborene Uwe Detemple dran. Er stellt sein Buch „Mein Rumänien – Revolution & Poesie“ vor, ein engagiertes, leidenschaftliches Buch über die rumänische Revolution von 1989 ( …)

 

Nach einer weiteren musikalischen Überleitung stellt Nikolaus Fuhry das mit Peter Hummel verfasste Familienbuch der katholischen Pfarrgemeinde Sackelhausen vor. Es ist das Ergebnis jahrelanger Recherchen und beinhaltet alle Angaben über die katholischen Einwohner der Gemeinde in der Zeit von 1766 bis 2007. Es ist ein Nachschlagewerk, das Auskunft gibt über Vorfahren und Verwandtschaftsverhältnisse, über Eheschließungen und familiäre Verbindungen, die fern der Heimat eine besondere Bedeutung bekommen.

Knapp drei Stunden Heimatgefühle am Sonntagnachmittag, schöne und schaurige Erinnerungen aus einer anderen Welt, hat die Menschen, die im Westen längst ein befreites Leben führen, wieder ein Stück näher zusammen gebracht.“

Dietlinde Besch

 

Auszug aus: Banater Post, 25. 03. 2008  Abschnitt über Carl Gibson nach vorn verschoben.

 

 

 

 

 

mit 16 Tuschezeichnungen von Michael Blümel

 

 

 

Literarischer Nachmittag

 

Der in Bad Mergentheim lebende Schriftsteller und Philosoph Carl Gibson las zwei Kapitel aus seiner noch unvollendeten Autobiographie. Gibson wurde 1959 in Temeswar geboren, wuchs aber in Sackelhausen auf. Ab 1976 engagierte er sich als Bürgerrechtler, ein Jahr später wurde er verhaftet, als er versuchte, die Charta des oppositionellen Schriftstellers Paul Goma zu unterzeichnen. Mehrfach wurde er von der Securitate verhört, teils auch gefoltert. Mit dem Vorwurf, eine anarchistische Organisation gegründet zu haben, verbüßte er sechs Monate im Zuchthaus. Das erste von Gibson vorgetragene Kapitel schilderte eindringlich die befremdlichen Wahrnehmungen nach seiner Entlassung, es sind die Stunden, als bei dem bis zum Skelett abgemagerten Freiheitskämpfer Lähmung und Starrheit langsam neuen Lebensgeistern weichen. Mit Erwin, seinem Leidensgenossen, zieht er Bilanz und konstatiert, daß Widerstand in einer Diktatur erfolgreich sein kann, weil gewisse Teilziele erreicht, einige Ideale aber auch der Desillusion zum Opfer gefallen seien. Als persona non grata wird Gibson zum Staatenlosen gestempelt und des Landes verwiesen – in die ersehnte Freiheit. Bevor er die Grenze überschreitet – so der Inhalt des zweiten vorgetragenen Kapitels mit der Überschrift „Elegie – oder: Ein Abschied für immer“ –, nimmt er bei einem Besuch in Sackelhausen Abschied von der Heimat und der Welt von gestern, von einer glücklichen Kindheit, vom Elternhaus, wo jetzt höfliche und fromme Rumänen wohnen, denen er ihr neues Heim gönnt.

Man darf gespannt sein auf das Erscheinen dieser Memoiren, die wohl mancherlei neuartige Akzente, nicht zuletzt über das Wesen des Widerstands im Rumänien des Conducators Ceausescus zwischen aktiver Dissidenz und loyaler Kritik erwarten lassen, zumindest dann, wenn der Autor seinen eigenen sachlichen Anspruch einlöst, nämlich nicht auf Selbstmythisierung zu setzen, sondern auf die „Authentizität der Ereignisse und faktischen Abläufe sowie auf die phänomenologische Beschreibung selbst gemachter Erfahrungen auf unterschiedlichen Ebenen“. In seinem „Bericht eines Zeitzeugen“ sucht Gibson einen fünfzigjährigen Abschnitt der Zeitgeschichte einzufangen und dabei das individuelle Wollen und Handeln in die makropolitische Situation hineinzustellen. Weil das Manuskript auf über 1000 Seiten angewachsen ist, hat der Autor es in zwei Werke geteilt und den ersten Part „Symphonie der Freiheit“ genannt. (Unter www.gibsonpr.de ist mehr über Struktur und Absicht dieses Erinnerungswerks zu erfahren.)

 

Stefan Teppert, in: Sackelhausener Heimatblatt, 2008, Auszug.