Aus: Tauber Zeitung vom 2. September 2008 bzw.

Aus: Fränkische Nachrichten vom 9. August 2008
Mit Philosophie Perspektiven aufzeigen

Carl Gibson hat in Bad Mergentheim eine Philosophische Praxis gegründet / "Freie Kunden"

Von unserer Mitarbeiterin Kathrin Ulshöfer

Bad Mergentheim. Eine Arztpraxis kennt jeder aus eigener Erfahrung. Was aber ist eine Philosophische Praxis? Im Bad Mergentheimer Mittelstandszentrum gibt es eine solche Einrichtung. Vor etwa einem Jahr gründete Carl Gibson eine "Philosophische Praxis für ethische, anthropologische und lebensphilosophische Fragen".

Hier bietet Gibson, der Philosophie, Geschichte und Germanistik studiert hat, das philosophische Gespräch an. Sein Angebot richtet sich vor allem an Menschen, die ihre eigenen Denkansätze überprüfen wollen, heißt es auf der Homepage. Das kann beispielsweise ein erfolgreicher Manager sein, der sich ausgebrannt fühlt und keinen Sinn mehr sieht in seinem bisherigen Leben. Oder aber ein Künstler, der "Anregungen im Ästhetischen sucht", wie Gibson sagt.

Er möchte in seiner Philosophischen Praxis Möglichkeiten ausloten und Denkalternativen aufzeigen - immer orientiert am praktischen Leben. "Philosophie sollte da sein, um Menschen, die monokausal gefangen sind, mehrere Denkrichtungen, Perspektiven und mehrere Methoden zu geben", sagt Gibson. Es gehe um das Definieren neuer Zielsetzungen und das Aufzeigen von Neuansätzen. Dabei greife er auf Erkenntnisse, Modelle und Lösungsansätze dreitausendjähriger Philosophie zurück.

Gibson, der nach eigenen Angaben auch als Unternehmensberater tätig ist, möchte "Ansprechpartner für Fragen in allen Lebenssituationen, die nicht von Krankheit bestimmt sind" sein. Der Philosoph und Autor, der an der Universität Würzburg Dozent war, sieht sich auf keinen Fall als Alternative zum Arzt oder zum Psychotherapeuten: "Ich bin weder Schamane noch Heilpraktiker", stellt er klar.

Im Mittelpunkt steht das Gespräch, das immer dialektisch aufgebaut ist. "Es findet keine Therapie im eigenen Sinne statt, da kein Kranker zu mir kommt", so Carl Gibson. Beim Arzt oder beim Psychotherapeuten sei man von Beginn an "stigmatisiert als Patient".

"Zu mir kommt man als freies Individuum", sagt er. Das erste Gespräch ist kostenlos, "dann entscheidet jeder, ob er mit mir den Dialog vertiefen will oder nicht". Auch den Ort des Gesprächs bestimmt der Kunde. Je nach Wunsch trifft man sich dann beispielsweise im Café, im Kurpark oder in der Philosophischen Praxis. Wichtig sei, dass zwischen dem Kunden und Carl Gibson ein Vertrauen entstehe. "Das ist das A und O", ist Gibson überzeugt. Wenn dieses nicht vorhanden sei, könne man einem Menschen auch nicht helfen.

Um zu helfen, müsse man "in die Tiefe gehen", so der Philosoph, und schauen, wie der jeweilige Mensch "vom Wesen her geformt" sei. Viele Menschen seien einsam "und wollen aus einer Sackgasse raus", sagt er. Für die Lösung gibt es kein Patentrezept. "Für den einen kann der Weg aus der Einsamkeit darin bestehen, eine neue Partnerschaft einzugehen, für den anderen sind es beispielsweise neue Hobbys", sagt Gibson. Bei allen Gesprächen jedenfalls gehe es im Grunde um die Existenzbewältigung.

Neu ist die Idee einer Philosophischen Praxis nicht. Das Konzept gibt es bereits seit Anfang der achtziger Jahre, insbesondere in Universitätsstädten und Ballungszentren. Dass Gibson Bad Mergentheim als Standort für seine Philosophische Praxis gewählt hat, ist kein Zufall. Anfang der Neunziger kam er ins Taubertal, um verschiedene Sachbücher zu schreiben, unter anderem das Buch "Brunnen und Quellen in Franken". 1993 gründete er das Institut für Wirtschaftsethik, das sich auch im Mittelstandszentrum befindet.

© Fränkische Nachrichten vom 30.03.2005